Jahresprogramm 2022

Termin: 

03.02.2022 

Beginn: 

18 Uhr

Ort:

Studio des Kunstforums Hermann Stenner

Obernstraße 48, 33602 Bielefeld

 

Kooperationsveranstaltung der Literarischen Gesellschaft Ostwestfalen-Lippe/ Literaturhaus Bielefeld e.V. mit dem Kunstforum Hermann Stenner

Bereits als Kind sammelte Wenzel Hablik (1881–1934) Kristalle. In den Pyramiden und prismatischen Gebilden aus der Kruste herausgebrochener Kristalldrusen und den Mäandern des Wismut-Kristalls sah er märchenhafte Zauberschlösser, aber auch phantastisch-utopische Architekturen. Die »Schaffenden Kräfte« (W. H.) in der Natur inspirierten ihn sein Leben lang. Das Kunstforum Hermann Stenner widmete den »Kristallträumen« dieses Universalkünstlers, der malte und zeichnete, Möbel, Textilien, Bestecke designte, aber auch Innenraumkonzepte für Privathäuser und Firmengebäude entwickelte, bis zum 6.3.2022 eine große Retrospektive unter dem Titel »Wenzel Hablik: Kristallträume. Expressionismus, Architektur, Utopie«.

Grund genug, der Faszination von bildenden Künstlern und Schriftstellern für das Kristalline nachzuspüren. Und dabei stößt man unweigerlich auf den österreichischen Schriftsteller Adalbert Stifter (1805–1868), dessen Sammlung »Bunte Steine«, 1854 erschienen, die Erzählung »Bergkristall« enthält. Die Weihnachtsgeschichte von Geschwisterkindern, die sich auf dem Weg zwischen zwei Bergdörfern ins Gletschereis verirren, baut eine ungeheure Spannung auf zwischen der existentiellen Bedrohung der kleinen Menschen und der ästhetischen Erhabenheit der großen Natur, eine Spannung, die erst ganz zum Schluss gelöst wird. Ein Höhepunkt der Stifterschen Erzählkunst ist die Beschreibung der Schnee- und Eislandschaft, die sich schrittweise zu einer von der gegenständlichen Welt abstrahierenden, fast absoluten Malerei in Weiß- und Grautönen entwickelt. Eine ähnliche Modernität kristalliner Ästhetik hat erst Thomas Mann im so genannten »Schneekapitel« seines Romans »Der Zauberberg« wieder erreicht.

Lesung: John Wesley Zielmann, Hamburg
Einführung Hablik: Christiane Heuwinkel, Kunstforum Hermann Stenner

 Foto: (c) privat